Blog:
Riskanter Zug – eine Gewerkschaft riskiert ihr Image
Viel ist in den letzten Tagen und Wochen über den Streit der Deutschen Bahn mit der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (kurz: GDL) geschrieben worden. Dabei geht es den Arbeitnehmervertretern längst nicht mehr nur um fünf Prozent mehr Lohn – es geht vor allem um Macht. Das birgt Gefahren – nicht nur für die Gewerkschaft der Lokführer, sondern auch für das Instrument der Gewerkschaften an sich. Es folgt: eine Analyse der Kommunikationspolitik der Gewerkschaft Deutscher Lokführer.
Grundsätzlich ist die Thematik sehr einfach: die GDL will deutlich mehr Geld (fünf Prozent) für deutlich weniger Arbeit. Obwohl das erstmal ziemlich lustig klingt, stellt dieser Umstand nicht die eigentliche Problematik dar. Neben den eben angesprochenen Punkten fordert die Gewerkschaft nämlich noch deutlich mehr: sie will mehr Macht. Gewerkschaftsboss Weselsky möchte zukünftig nicht mehr bloß für die Lokführer verhandeln, sondern auch andere Berufsgruppen bei der Deutschen Bahn vertreten. Diese waren bisher in der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vertreten. Beide Gewerkschaften möchten möglichst viele Arbeitnehmer vertreten. Die Bahn möchte aber genau das verhindern. Statt fairen Tarifverhandlungen befürchtet sie eine Spaltung der Arbeitnehmergruppierung, wenn sich Löhne und Arbeitszeiten zu stark voneinander unterscheiden (mehr Informationen dazu findet man in einem Beitrag der Süddeutschen).
Der Tarifkonflikt dreht sich also genau genommen um drei Parteien. In der öffentlichen Wahrnehmung aber stehen eigentlich nur zwei Parteien: die Gewerkschaft Deutscher Lokführer und die Deutsche Bahn. Während sich die EVG in den letzten Wochen extrem zurückhielt, attackierte die GDL die Deutsche Bahn über die Medien scharf und würzig. Die schoss zurück – mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. So entbrannte in der Öffentlichkeit schnell ein nett anzuschauender Zweikampf, in dem sich die beiden Parteien vor allem übereinander und weniger miteinander unterhielten. Betrachtet man das Ganze als außenstehende Person relativ nüchtern, ist es ein Kampf, den die Ein-Mann-Presseabteilung der Dorfgewerkschaft GDL gegen den Großkonzern Deutsche Bahn nur verlieren kann.
Denn während die Deutsche Bahn anders als bei der Ankündigung von Zugausfällen oder -verspätungen soweit über eine ganz passable Informations- und Kommunikationspolitik verfügt, fragt man sich im Falle der GDL, über welche Kanäle die Gewerkschaft die Betroffenen überhaupt informiert. Einen eigenen Internetauftritt besitzt die Gewerkschaft zwar, dieser ist in den Hochphasen des Interesses aber über mehrere Stunden nicht zu erreichen (gewesen). Über Social Media Kanäle kann das Informationsbedürfnis der Bürger ebenfalls nicht gestillt werden, da diese schlichtweg nicht existieren. Die sogenannte Kommunikation der Gewerkschaft folgt einzig und allein über die Medien. Dass das Gefahren birgt, kann man derzeit gut beobachten: während der Großteil der Presseverleger und damit auch der Bürger zu Streikbeginn nämlich noch Verständnis für das Verhalten der GDL hatte (s. auch den Beitrag der Süddeutschen), ist die Stimmung mittlerweile gekippt (s. auch den Beitrag der Süddeutschen). So bläst dem nicht gerade charismatisch auftretenden Gewerkschaftsboss Weselsky momentan ein ziemlicher Wind um die Ohren – auch (und das ist das Erstaunliche) aus den eigenen Reihen (s. auch den Beitrag der Zeit).
Der Grund dafür liegt nicht nur in den immer stärker ausufernden und scheinbar wirkungslos verpuffenden Streikeinsätzen (s. auch den Beitrag der Süddeutschen), sondern auch in der schlechten Kommunikationspolitik der Gewerkschaft. Denn während sich die Deutsche Bahn nach den gescheiterten Verhandlungen von Sonntagabend zeitnah äußerte und ihr Bedauern über das Scheitern ausdrückte, dauerte es bei der Gewerkschaft bis zum Montagabend, bis überhaupt einmal eine Reaktion kam (s. auch den Beitrag der Zeit) – und man dann auf den Dienstagmittag vertröstet wurde, an dem man schließlich den Rekordstreik verkündete.
Im Gegensatz zum großen Konkurrenten der Deutschen Bahn hat es die Gewerkschaft in den vergangenen Wochen verpasst, die Betroffenen transparent und zeitnah über ihre Sicht der Verhandlungen zu informieren. Statt den direkten Informationskanal über die eigene Internetseite zu nutzen, wählte die Gewerkschaft oftmals den indirekten Weg über die Medien und ließ ihre Mitteilungen von den Reportern und Moderatoren dieses Landes erklären. Dass Claus Weselsky in der Öffentlichkeit oftmals wie ein „Rumpelstilzchen“ (Bild) auftritt und sich als berufener Oberhetzer als Opfer einer eigenen Hetzkampagne inszeniert, zeichnet das unglückliche Bild, das die Gewerkschaft Deutscher Lokführer seit einigen Tagen in den Medien abgibt. Viel schlimmer als der daraus resultierende Image-Schaden für die Gewerkschaft selbst ist aber der Schaden für die Gewerkschaften an sich: sie profitieren keinesfalls von den unsauberen Machenschaften Weseleksys. So lässt sich auch die Reaktion verschiedenster Gewerkschaftsvertreter erklären, die Weselsky für sein bisheriges Handeln ungewöhnlich scharf kritisieren. Mit den vollkommen ausufernden Streiks hat sich dieser spürbar unreflektiert auf’s Glatteis begeben und hat sich den Zorn der Vertreter somit auch durchaus verdient.